{"id":82641,"date":"2022-03-23T15:12:42","date_gmt":"2022-03-23T14:12:42","guid":{"rendered":"https:\/\/www.autoopen.de\/?p=82641"},"modified":"2022-03-23T15:12:42","modified_gmt":"2022-03-23T14:12:42","slug":"informatik-ist-ein-people-business","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.autoopen.de\/82641\/informatik-ist-ein-people-business\/","title":{"rendered":"Informatik ist ein People Business"},"content":{"rendered":"

Prof. Dr. Christian K\u00fccherer von der Hochschule Reutlingen \u00fcber neue Lehrformate und die Gr\u00fcnde warum er 2021 mit dem Lehrpreis der Hochschule ausgezeichnet wurde.<\/p>\n

\"Bild\"Die Corona Krise ist l\u00e4ngst noch nicht vorbei. Abstand halten, Maske tragen, Impfen, Anzahl der Personen pro Raum usw. Die Einschr\u00e4nkungen in vieler Hochschulen gelten mindestens noch bis Anfang April. Normaler Unialltag sieht andres aus.<\/p>\n

Dass die Einschr\u00e4nken nicht zwangsl\u00e4ufig zu einer Verschlechterung der Lehre f\u00fchren m\u00fcssen, zeigte die Umfrage des Centrums f\u00fcr Hochschulentwicklung im Herbst. Demnach beurteilten 85 Prozent aller Masterstudierenden an der Fakult\u00e4t Informatik der Hochschule Reutlingen<\/a> den Umgang und die Studienbedingungen unter Corona Bedingungen an der Hochschule Reutlingen<\/a> als sehr gut oder gut. Doch wie hat die Fakult\u00e4t Informatik in Reutlingen diesen sehr guten Wert geschafft? Einer der es wissen sollte ist Prof. Dr. Christian K\u00fccherer. Der Informatik Professor lehrt im Studiengang Medien- und Kommunikationsinformatik und Medizinisch-Technische Informatik und wurde im Herbst f\u00fcr seine innovative Lehre mit dem Lehrpreis der Hochschule Reutlingen ausgezeichnet. <\/p>\n

\nHerr K\u00fccherer was ist aus ihrer Sicht hat die wichtigste Voraussetzung f\u00fcr ein gutes lehren.? <\/p>\n

Nach meiner Philosophie begegne ich Studierenden auf Augenh\u00f6he: Gute Lehre ist Coaching. Ich freue mich am meisten \u00fcber Studierende, die kritische R\u00fcckfragen stellen, wie zum Beispiel „Herr K\u00fccherer das ist doch gar nicht so. Ich habe noch kein Projekt erlebt wo es so war!“. Genau solche Fragen machen eine Lehrveranstaltung interessant und spannend. Diese Fragen muss man zulassen.<\/p>\n

Aber sie sind doch der Lehrer. Wenn jemand ihre Thesen in einer Veranstaltung hinterfragt – geht das \u00fcberhaupt? Sie sollten es doch wissen und Recht haben. <\/p>\n

So einfach ist das nicht. Ich finde Engagement ist die Schl\u00fcsselqualifikation um Informatik zu lernen und sich daf\u00fcr dann auch zu begeistern. Und wer sich f\u00fcr etwas begeistert, wird es auch gleichzeitig immer kritisch hinterfragen und genau hier f\u00e4ngt eine gute Diskussion an. Man kann so herausfinden wo das Problem besteht, wie es gel\u00f6st werden kann. Oft sind L\u00f6sungen auch kontextabh\u00e4ngig und es gibt nicht die eine richtige L\u00f6sung oder objektive Wahrheit.<\/p>\n

Gibt es denn keine Wahrheit? <\/p>\n

Lassen Sie es mich so sagen. Eine gute Diskussion ist von gro\u00dfer Sachlichkeit und einem guten Wissen gepr\u00e4gt. Ich kann aufgrund meines Wissens und meiner Erfahrung sehr gut argumentieren und so Thesen widerlegen oder best\u00e4tigen.
\nWir reden in der Informatik oft \u00fcber Unsichtbares, wie Software oder Daten. Um dar\u00fcber wirklich gut diskutieren zu k\u00f6nnen ist es hilfreich diese nicht sichtbaren Dinge auf einer Tafel als Modell zu visualisieren. Es geht also darum abstrakte Dinge verst\u00e4ndlich darzustellen. Das ist f\u00fcr mich ein ganz wichtiges Grundprinzip, wenn wir \u00fcber schwierige, strittige Fragen diskutieren.
\nBei dieser Art der Kommunikation mit den Studierenden lerne auch ich meine eigenen Ansichten zu hinterfragen und komme auch zu neuen Erkenntnissen. F\u00fcr mich sind neue Einsichten keine Fehler, sondern wirklich sch\u00f6ne Lernkurven in denen ich feststelle, das Dinge nicht immer sind, wie wir es selbst denken.<\/p>\n

Geht gute Kommunikation denn in Corona Zeiten auch so? <\/p>\n

Ehrlich gesagt bin ich froh, wenn wir Lehre in Pr\u00e4senz haben. Bei den Onlineformaten ist das Feedback nicht so gut. Man erkennt am Bildschirm die Gestik und Mimik der Studierenden meist nicht. Masken sind dabei auch eben nicht wirklich hilfreich, wenngleich aktuell notwendig.
\nDie Corona Ma\u00dfnahmen erzeugen ja eine gewisse Distanz. Mir ist es daher seitdem besonders wichtige enge Kommunikationsbeziehungen anzubieten. So baue ich den Online-Veranstaltungen immer wieder break-out Sessions ein um Gespr\u00e4che in kleinen Gruppen mit drei bis vier Personen zu f\u00fchren. Dar\u00fcber hinaus bitte ich die Studierenden auch w\u00e4hrend der Corona Zeit soweit es geht meine Sprechstunde online oder in Pr\u00e4senz zu nutzen statt mir meine E-Mail oder Message zu senden. In Zeiten von Corona und Online-Lehre bleiben viele Fragen der Studierenden unbeantwortet, auch weil der Kontakt auf dem Gang fehlt. Das m\u00fcssen wir Dozierende abfangen. <\/p>\n

Nun geht eine enge Kommunikation ja nicht immer, z.B. in Seminaren mit 30 oder 40 Teilnehmern. Was machen Sie damit es trotzdem interessant bleibt?<\/p>\n

\nIch setze zu einen auf das Konzept des Blended Learning. Hierbei werden verschiedene Lernformate miteinander kombiniert. Meine Seminare bestehen daher immer aus einem Mix von praktischen \u00dcbungen und Modellierungsaufgaben, die die Studierenden selbst vorbereiten m\u00fcssen und die wir dann an den Whiteboards gemeinsam entwickeln.
\nZum anderen nutze ich so oft wie m\u00f6glich das Konzept Inverted Classroom. Hier werden die grundlegenden Aktivit\u00e4ten der klassischen Vorlesung umgedreht. Dabei m\u00fcssen die Studierenden sich selbst den Stoff der Vorlesung zuhause oder in Gruppen aneignen. Im Seminar diskutieren wir dann \u00fcber diese Inhalte, gehen den Punkten nach, die unverst\u00e4ndlich oder unklar geblieben sind und wenden sie nach M\u00f6glichkeit in praktischen Szenarien an, also sehr dicht an der sp\u00e4teren Anwendung.<\/p>\n

Und woher wissen sie dann, ob die Studierenden auch wirklich alles verstanden und gelernt haben? <\/p>\n

Neben den Klausuren am Ende eines jeden Seminars k\u00f6nnen die Studierenden auch anonym ihr Feedback zur Veranstaltung geben. Dieses Feedback der Studierenden war ja eine Grundlage f\u00fcr die Verleihung des Lehrpreises der Hochschule und f\u00fcr mich immer sehr wichtig. Man zweifelt ja auch immer an sich selbst. Pl\u00f6tzlich nimmt die Teilnahme an den Vorlesungen ab, die Gr\u00fcnde bleiben oft aber im Unklaren.
\nWenn man dann aber in dem Feedback zur Veranstaltung ein sehr positives Fazit liest und die Studierenden schreiben, dass immer alle Fragen beantwortet wurden, selbst wenn sie mehrfach gestellt wurden, dann ist es eine Best\u00e4tigung, dass man doch auf dem richtigen Weg ist. So gesehen war der Lehrpreis der Hochschule eine tolle Best\u00e4tigung f\u00fcr mich.<\/p>\n

Und was begeistert Sie an der Informatik? Wenn ich sie richtig verstehe, sind sie jemand der sehr auf Kommunikation setzt. Bei Informatik gibt es ja immer wieder das tradierte Bild von Nerds und Tekkis die quasi tagein tagaus allein vor dem Rechner sitzen. <\/p>\n

Ich bin \u00fcberhaupt kein Tekki oder Nerd und auch kein Mathefreak, was InformatikerInnen ja auch oft nachgesagt wird. F\u00fcr mich ist Informatik ein People Business. Informatik w\u00fcrde nicht existieren, wenn wir nicht mit den Menschen reden. Informatikanwendungen k\u00f6nnen wir nur programmieren, wenn wir verstehen was die Anwender brauchen, wie diese ticken. Fr\u00fcher wurden Softwarel\u00f6sungen oft an den Bed\u00fcrfnissen der Menschen vorbei programmiert. Die ersten Handys waren ohne eine Bedienungsanleitung nicht wirklich zu bedienen. Auch Computer waren im Grundsatz schrecklich kompliziert in der Anwendung. Heute haben wir Softwarel\u00f6sungen die sich intuitiv bedienen lassen. Eine klassische Bedienungsanleitung gibt es nicht nur bei Smartphones zum Gl\u00fcck nicht mehr. Man stellt es an und ahnt gleich wie es funktioniert. Dieser Fokus auf den Menschen wird in der Informatik immer wichtiger und deswegen liegen wir mit unseren anwendungsorientierten Studienf\u00e4chern genau richtig. <\/p>\n

Prof. Dr. K\u00fccherer. Herzlichen Dank f\u00fcr das Gespr\u00e4ch\"\"<\/p>\n